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Patient Empowerment: Keine Angst vor Besserwisser-Patienten

Patient Empowerment: Keine Angst vor Besserwisser-Patienten

Weshalb ist eine Weiterentwicklung im Umgang mit dem Patienten notwendig? Und was genau bedeutet „Patient Empowerment“ eigentlich für das Verhältnis von Arzt und Patient? Diese Themen wird Oliver Neumann, GF der CyberDoc GmbH, Berater und Gründer von Businessdoc.de am 12.Juni auf der Fortbildung HCP.digital gemeinsam mit den Workshop-Teilnehmern erörtern. 

Mit der Zunahme digitaler Möglichkeiten hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass Gesundheitskompetenz nicht mehr nur in den Händen der behandelnden Ärzte liegt, sondern auch Patienten mehr und mehr Wissen über Krankheiten haben. Das erfordert den Wechsel hin zu einer neuen Form der Zusammenarbeit zwischen Medizinern und ihren Patienten. 

Seit 18 Jahren unterstützt und berät Oliver Neumann, Gründer des Projektes Businessdoc und Geschäftsführer der Telemedizinplattform CyberDoc GmbH , Ärzte vor allem hinsichtlich Praxis-Start und -Entwicklung. Durch die Corona-Pandemie sind seiner Ansicht nach viele Dinge im Bereich Digital Health möglich geworden, deren Entwicklung sonst einige Jahre länger gedauert hätte: „Die Videosprechstunde ist plötzlich in die ambulante Versorgung eingekehrt, in einer Art und Weise, wie wir das nicht vorausgesehen haben.“

Herausforderung und Wandel

Eine große Herausforderung sieht Neumann darin, dass Dinge wie die Videosprechstunde nach Überwindung der Corona-Pandemie weiter fortgeführt, genutzt und in den Praxisalltag integriert werden. Er hält es für erforderlich, die niedergelassenen und ambulant tätigen Ärzte in Deutschland viel mehr zu unterstützen, um auch diejenigen zu erreichen, die noch keinen Zugang zum Thema „digitale Prozesse“ haben. 

Als Praxisberater weiß er außerdem, wie wichtig die Praxismitarbeiter sind, die bei diesem Prozess unbedingt mit ins Boot geholt werden müssen. Neumann nennt dies das „Dreigestirn aus Arzt, Mitarbeiter und Patient“. Vielen Patienten mangelt es noch an Vertrauen in die digitalen Tools, insbesondere weil sie keine Erfahrung im Umgang damit haben. Hier spielen die Mitarbeiter eine große Rolle. Sie bilden eine Schnittstelle zwischen Arzt und Patient, und sie können den Erkrankten viel von ihrer Unsicherheit nehmen, wenn sie selbst geschult und sicher mit den digitalen Tools umgehen.

Die Akzeptanz neuer Methoden entsteht in erster Linie durch Information, Aufklärung und Schulung. So wächst allmählich das Zutrauen in die digitalen Tools und festigt sich das Vertrauen der Patienten in ihre behandelnden Ärzte. Auf diese Weise kann Veränderung erfolgen und der Wandel von der analogen Technik hin zur digitalen stattfinden. 

Was ist eigentlich „Patient Empowerment“? 

Alles das hat nach Meinung des Digital Health-Experten sehr viel mit Patient Empowerment zu tun: „Die Befähigung von Patienten, Entscheidungen mit zu beeinflussen, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, das ist für mich Patient-Empowerment.“

Es sei auch der Anspruch einer neuen Generation mit dem Thema gesundheitliche Versorgung anders umzugehen als früher. Patienten selbst die Möglichkeit zu geben, an ihrer Heilung mitzuwirken – ganz besonders bei chronischen Erkrankungen – ihnen Eigenverantwortung zu übertragen, ist ein großes Zukunftsthema. Selbstverständlich dürfe diese Verantwortung nicht auf einmal komplett dem Patienten übergestülpt werden, sondern es müsse ein sich allmählich vollziehender Wandel sein. Den Erkrankten in seine Therapie und Genesung aktiv einzubinden, heißt, ihn wirklich zum mündigen Patienten zu machen. 

Das bedeutet, das Verhältnis zwischen Arzt und Patient wird auf eine enorme Probe gestellt, so Neumann: „Denn der Arzt muss erkennen, dass der Patient Ansprüche stellen kann. Ich sage immer: Der Patient votet mit in Zukunft. Also nicht nur bei der Auswahl seines Arztes, sondern auch bei der Auswahl von Behandlungsmethoden.“ 

Patienten würden zukünftig mitentscheiden, ob sie einen Arzt haben möchten, der sie aufklärt, der ihnen viele Möglichkeiten bietet, ihre Therapien mitzugestalten und ihren Gesundheitszustand mitzubestimmen. Daher stünden Ärzte nun vor der Herausforderung, dies zuzulassen und sich auf eine patientenorientierte Medizin einzustellen. 

Vorteile der Weiterentwicklung

Für den Gesundheitsexperten Neumann ergeben sich daraus auch viele Vorteile für den Arzt. In seinen Augen ist die eigentliche Motivation der Mediziner „Menschen zu helfen“ im jetzigen Gesundheitssystem stark davon geprägt, dass Geld nicht für den Erfolg einer Therapie, sondern für eine zeitlich begrenzte Behandlung bezahlt wird. Es stehe also häufig nicht die Gesundung im Vordergrund, sondern die Schmerzlinderung. 

Um so wichtiger wäre es, in Zukunft präventiv zu denken, Patienten dahinzuführen, dass sie gar nicht erst erkranken. Während aktuell die individuelle Behandlungsstrategie, also eine „Präzisionsmedizin“, verstärkt im Kommen ist, wünscht sich Neumann noch weiter zu gehen. Hin zu einer „Präzisionsprävention“, bei der die Menschen durch gezielte Präventionsmaßnahmen gar nicht erst krank werden.

In seinem Workshop „Patient Empowerment” auf der HCP.digital will der Visionär Neumann den Teilnehmern deutlich machen, warum es wichtig ist, sich für diese Themen zu öffnen. In seinem Kurs können Mediziner die Patientenseite besser kennenlernen und erfahren, wie Patienten heutzutage agieren und welche Ansprüche sie haben. Dadurch möchte Neumann den Ärzten vermitteln, warum eine Weiterentwicklung, ein „Change-Prozess“ in der Praxis von morgen nötig ist. 


Weitere Informationen 

Autorin: Johanna Schmidbauer

Datum: Januar 2021

Quellen:

Interview mit Oliver Neumann, 10. 12. 2020

Businessdoc www.businessdoc.de (Abruf: Januar 2021)