Smarter Telefonassistent – Künstliche Intelligenz zur Entlastung am Telefon (MFA-Workshop)
Warum digitale Tools wie Telefonassistenten kein Ersatz, sondern eine Unterstützung für medizinische Fachangestellte sind, und wie diese von Patientinnen und Patienten angenommen werden, darum geht es unter anderem im Workshop von Richard von Schaewen auf der HCP.digital am 12. Juni 2021.
Künstliche Intelligenz zur Entlastung der MFAs
Die Corona-Pandemie war ein Digitalisierungskatalysator – so formuliert es Richard von Schaewen, Co-Founder und Geschäftsführer der Aaron GmbH. Der Druck zur Digitalisierung auf allen Ebenen, auch in der Medizin, war eindeutig, auch wenn natürlich das Problem bestehe, dass „in Deutschland nicht an jeder Milchkanne die Internetanbindung gut ist“. Im Vergleich zu den Jahren zuvor hat sich seiner Meinung nach sehr viel getan – sei es die Videosprechstunde oder die Tatsache, dass plötzlich auch Praxismitarbeiterinnen und ‑mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten konnten und der Praxisalltag sich mehr Richtung Telefon und online verlagert hat.
Für die Praxen wird es auch im Jahr 2021 einige Herausforderungen geben. Von Schaewen sieht hier zunächst die Verteilung der Impfstoffe auf die Praxen zukommen. Anfang des Jahres sollen zudem Software-Hersteller einen einfacheren Datenaustausch zwischen Praxis-Softwares verschiedener Hersteller ermöglichen, was seiner Meinung nach ebenfalls eine Herausforderung sein wird. Und natürlich sei der Fachkräftemangel weiterhin ein Dauerthema. Hier könne aber vielleicht auch die entsprechende Technologie helfen, dem oft saisonalen Patientenandrang gerecht zu werden.
Den Faktor Mensch mit digitalen Tools ins Zentrum rücken
„In der Vergangenheit war ich häufig auch eingeladen zu Vorträgen bei KVen, bei Praxisnetzwerken oder bei Stammtischen. Dieser physische Austausch vor Ort hat ja abgenommen“, so von Schaewen. Er findet jedoch, dass es den Beteiligten schnell gelungen sei, diesen Vor-Ort-Betrieb online umzusetzen, um weiterhin über Digitalisierung zu informieren. Teilweise sei vielleicht die Technik sogar ein Türöffner für mehr Interaktion: „Vorträge und Workshops werden auch in einem Online-Format, bei dem jeder gemütlich sein Teechen zu Hause trinken kann, gut funktionieren.“
Manch einer steht der Technik jedoch skeptisch gegenüber, weil vielleicht die Befürchtung besteht, auf Dauer von künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden. „Das ist ja immer eine grundsätzliche Angst und wird auch medial an der einen oder anderen Stelle forciert“, meint der Experte. „Doch MFAs werden ja nicht dafür ausgebildet, 8 Stunden am Tag ans Telefon zu gehen.“ Die Ausbildung diene dazu, eine gute medizinische Versorgung zu leisten, und dies sei eine wichtige Aufgabe der MFAs in der Praxis. „Aus meiner Sicht dient Technologie heute dazu, diesen Faktor Mensch viel mehr ins Zentrum zu rücken.“
Künstliche Intelligenz mit natürlichen Dialogen
Anfragen wie z. B. Folgerezepte oder Überweisungen, die eher maschinell anmuten, können aus von Schaewens Sicht heute auch durch digitale Tools ausgeführt werden. Das von seiner Firma entwickelte Tool „Aaron“ ist ein digitaler Telefonassistent, der immer dann ans Telefon geht, wenn gerade niemand Zeit hat, also beispielsweise außerhalb der Sprechzeiten. Das Tool kann repetitive Prozesse wie Rezept- oder Terminanfragen automatisch abwickeln. Sofern das von der Praxis gewünscht ist, kann das Tool auch rund um die Uhr solche Anfragen annehmen, womit auch während der Sprechzeiten die MFAs entlastet werden sollen.
In vielen Praxen ist man verwundert, wie gut so ein digitaler Assistent auch von älteren Patienten angenommen wird, wenn diese beispielsweise Folgerezepte mithilfe der KI bestellen. Für den Chef des Softwareunternehmens ist dies jedoch weniger überraschend: „Wir haben uns bei der Entwicklung des Assistenten von Anfang an mit sehr vielen MFAs und Ärzten, aber vor allem auch mit Patienten ausgetauscht, um die Dialoge zu gestalten. Damit man eben nicht den Eindruck bekommt, dass wir in den 90ern bei der Telekom gelandet sind mit ‚Drücken Sie die 1, drücken Sie die 2 …‘. Wir hören sehr häufig, dass eben niemand diese Erfahrung am Telefon machen möchte, und das ist nachvollziehbar.“ Mittlerweile arbeiten in Deutschland mehr als 1.000 Praxen mit dem digitalen Assistenten und so konnten die Dialoge auch fachspezifisch gestaltet werden. Dieser Dialog könne auch durch die einzelne Praxis angepasst werden, um sowohl ältere als auch jüngere Patienten abzuholen.
Durch bessere Erreichbarkeit die Patientenzufriedenheit steigern
„Wir wissen aufgrund unserer Hochrechnungen, dass jeden Tag ungefähr 5,2 Millionen Anrufe erfasst werden“, so von Schaewen. Eine Praxis, die sehr viel Telefonbetrieb hat, sei auch damit konfrontiert, dass sehr viele Patienten anrufen und niemanden erreichen. Die Konsequenz daraus sei, dass die Patienten unzufrieden sind, wenn sie einen sofortigen Service erwarten. Ein digitaler Telefonassistent solle genau das verhindern, da damit die Praxis immer erreichbar sei.
Im Allgemeinen müssen MFAs oft Multitasking leisten und gleichzeitig das Telefon besetzen und mit den Patienten vor Ort interagieren. „Versorgen MFAs gerade einen Patienten und möchten mit diesem vielleicht auch mal länger sprechen, müssen sie bei einem Anruf kein schlechtes Gewissen mehr haben, denn in solchen Fällen geht der digitale Mitarbeiter ans Telefon“, erklärt von Schaewen. Einfache Anfragen wie Terminabsagen ließen sich komplett durch den Assistenten übernehmen und unter Umständen auch per SMS beantworten bzw. bestätigen, was wiederum Zeit spare. „Unser Tool hilft außerdem dabei, das, was heute synchron am Telefon geschieht, zu strukturieren und zu priorisieren, sodass man auf einen Blick sieht, welche Anrufe akut sind und wo sofort zurückgerufen werden muss.“ Das Ziel eines digitalen Telefonassistenten sei es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Praxis zu entlasten und Zeit zu sparen und gleichzeitig den Patientinnen und Patienten eine bessere Erreichbarkeit zu bieten. Das könne wiederum die Zufriedenheit mit der Praxis erhöhen.
Wie kann meine Praxis von einem digitalen Assistenten profitieren?
Im Rahmen der Veranstaltung HCP.digital möchte von Schaewen in seinem Workshop die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Nachdenken über die Prozesse in der eigenen Praxis anregen. Wie wird das Telefon genutzt und wie machen das andere Praxen? Nach diesem Austausch unter den Teilnehmern wird es einige „Best Practice“-Beispiele geben und der Experte wird Erfahrungen aus Praxen teilen, die bereits den digitalen Assistenten nutzen. „Ich will aufzeigen, was sich verändert oder verbessert, wenn man diesen kleinen digitalen Mitarbeiter mit in den Prozess setzt – aber auch welche Voraussetzungen damit einhergehen, weil neue Technologien in jedem Fall auch immer die eine oder andere Veränderung bedeuten.“ Genau diese Angst vor Veränderungen möchte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nehmen und ihnen helfen zu ermitteln, ob und wie solch ein digitales Tool in den eigenen Praxisablauf passt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten kann.
Weitere Informationen
Autorin: Tanja Peschel
Datum: Januar 2021
Quellen: Interview mit Richard von Schaewen, 03.12.2020