Virtueller Raum – Rolle und Auftritt
Wird die Arztpraxis der Zukunft im Internet stattfinden? Und wie können niedergelassene Ärztinnen und Ärzte mehr Innovationskraft entwickeln? Auf diese und weitere Fragen wird Frank Stratmann, Strategischer Berater im Gesundheitswesen, am 12. Juni 2021 auf der HCP.digital näher eingehen.
Die Arztpraxis der Zukunft: Marketing, Medialisierung und Innovation
Das Berufsbild Ärztin/Arzt wird sich in Zukunft verändern. Mediziner müssen sich darauf einstellen, dass sich Teile des Behandlungsprozesses zunehmend auf digitaler Ebene abspielen. Dieser Veränderung müssen Praxen Rechnung tragen, indem sie mehr eigene Innovationskraft entfalten, vor allem in Bezug auf ihren Auftritt im virtuellen Raum.
Frank Stratmann, seit fast 20 Jahren in der Gesundheitswirtschaft unterwegs, glaubt, dass die Corona-Krise die digitale bzw. datengestützte Medizin beschleunigt. So hält er es durchaus für möglich, dass die Medizin in absehbarer Zeit auf manche Krankheiten, wie zum Beispiel Krebs, durch teilweise datengestützte Lösungen neue Antworten findet.
Novellierung und Innovation in der Praxis
Als Gesundheitsmarketing-Experte sieht er die Novellierung des eigentlichen Geschäftsmodells als eine der großenZukunftsherausforderungen für niedergelassene Ärzte. Die Mediziner müssten sich sowohl organisatorisch als auch medizinisch auf eine komplett andere Arbeitsweise einstellen, wodurch wiederum eine neue Art der Kooperation zwischen Arzt und Patient entstehen werde.
Auf die kommenden Veränderungen sind Ärzte seiner Ansicht nach bisher unzureichend vorbereitet, da die Innovation bisher immer von außen gekommen sei. Als Beispiel dafür nennt er medizintechnische Entwicklungen oder den organisatorischen Bereich wie das Qualitätsmanagement oder die elektronischen Patientenakte. Man sei von technologischen Imperativen oder gesundheitspolitischen Entscheidungen abhängig gewesen. Heute gehe es darum, völlig neue Möglichkeiten auszumachen, wie Innovation in der Praxis selbst entstehen kann, wobei Stratmann bedauert, dass von Ärztekammern, Verbänden und Vereinigungen bisher wenig dazu kommt. „Es muss mehr Spielraum entstehen, es muss mehr Aufbruchsstimmung, mehr Kreativität Einzug halten, um die Zukunft auch wirklich aktiv mitzugestalten. Ansonsten wird man weiterhin das Gefühl haben, gestaltet zu werden.“
Findet die Arztpraxis der Zukunft im Internet statt?
Ob die Praxis der Zukunft ins Internet wandere, sei laut Stratmann nur teilweise mit „Ja“ zu beantworten. In jedem Fall werde sie ihren Wirkungskreis vergrößern. Die Behandlung werde sehr viel prozessorientierter werden, und dabei würden digitale Medien eine große Rolle spielen: vom ersten Symptom über die Gestaltung eines persönlichen Gesundheitsmanagements und weiterführende Kooperationen bis hin zum Behandlungsabschluss. „Wir sprechen also eigentlich fast weniger von einer klassischen Digitalisierung als vielmehr von einer Medialisierung des Arztberufs. Aber natürlich wird es weiterhin eine Tür geben, durch die ein Patient geht und einen Menschen trifft: nämlich die Ärztin oder den Arzt.“
Ethisches Marketing für Mediziner
Patienten haben heutzutage viele Fragen, auf die sie im Internet nach Antworten suchen. Gerade hier sollten Ärzte sich mehr einmischen, mehr Informationen anbieten, findet der Praxisberater Stratmann. Marketing habe nur zum Teil mit Werbung zu tun, zu einem anderen Teil auch mit Information, und genau das sei das Top-Marketingthema für niedergelassene Ärzte.
Ethische Grundsätze beim Marketing seien natürlich ein schwieriges Thema: „Die neue Rolle im Gesundheitsmarkt zu finden, heißt eben nicht, sich an den absatzorientierten Märkten auszurichten, sondern die Gesundheitsbeziehung in den Mittelpunkt zu stellen.“ Das bedeute, es gehe darum, eine patientenzentrierte Sichtweise einzunehmen. Ethisches Marketingin der Arztpraxis müsse sich konsequent an den Bedürfnissen der Patienten orientieren.
Patient oder Kunde?
Der Mensch, der die Arztpraxis betritt, komme als Patient, als Leidender, als Hilfesuchender aufgrund seiner Erkrankung. Aber gerade durch den heutigen „Zuzahlungsmarkt“ sei der Patient auch Kunde. Und zwar in der Form, dass er sich entscheiden muss: Was „konsumiere“ ich an weiteren ergänzenden Gesundheitsleistungen?
Als Mentor im Gesundheitswesen erklärt Stratmann: „Der Arzt braucht ein gewisses Gespür dafür, wann er mit dem Patienten in welchem Kontext sprechen muss. Das kann in den sieben oder acht Minuten während des Besuchs in einer Praxis durchaus ganz unterschiedlich sein.“
Stratmann nennt den Zahnarztbesuch als Beispiel: „Während einer Vorsorgeuntersuchung ist man zunächst kein Erkrankter, sondern einfach nur Mensch. Findet der Zahnarzt ein Problem, wird man automatisch zum Patienten und nimmt eine Leistung in Anspruch. Möchte man dann noch eine professionelle Zahnreinigung, so ist man Kunde, weil man sich für die selbst bezahlte Mehrleistung entscheidet.“ Diese verschiedenen Rollen müsse der Arzt in seinem Kontakt mit dem Patienten berücksichtigen.
In seinem Workshop “Virtueller Raum – Rolle und Auftritt” auf der HCP.digital am 12. Juni 2021 wird der Marketing-Experte aufzeigen, welche Möglichkeiten man als Ärztin oder Arzt hat, mit seinem Team neue Wege zu gehen. Er möchte außerdem mit den Teilnehmenden eine Art Planspiel machen, um mit ihnen gemeinsam eine Take-Home-Message für die Arztpraxis der Zukunft zu erarbeiten.
Weitere Informationen
Autorin: Johanna Schmidbauer
Datum: Januar 2021
Quellen: Interview mit Frank Stratmann, 03.12.2020
Homepage Frank Stratmann www.betablogr.de (Abruf: Januar 2021)