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Datenschutz in der digitalen Medizin

Datenschutz in der digitalen Medizin


Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Digitalisierung der Medizin aus? Müssen Ärzte in Zukunft programmieren lernen? Wie sensibel sind Gesundheitsdaten wirklich? Als Anwalt der Digitalisierung räumt Sebastian Vorberg im Rahmen der Fortbildung HCP.digital mit Vorurteilen in puncto Datenschutz auf. 

Für Datenschutz sensibilisieren ohne irrationale Ängste zu schüren

Digitale Medizin „so viel wie möglich und so gut wie möglich“ an den Start zu bringen, ist Sebastian Vorbergs Credo. Der Fachanwalt für Medizinrecht ist überzeugt, dass wir diese Mechanismen dringend benötigten, um die Therapiegüte zu verbessern. Seit über 10 Jahren engagiert sich Vorberg darin, die Digitalisierung im Health-Care-Segment voranzutreiben. Den Anfang machte er als Rechtsanwalt, indem er Mandanten zu innovativen Themen wie Fernbehandlung beriet – zum damaligen Zeitpunkt noch ein Novum. Gemeinsam mit Dr. Markus Müschenich gründete er dann den Bundesverband Internetmedizin e.V. (BiM), und auch das herstellerunabhängige Institut für Qualität und Regulationen digitaler Medizin rief er ins Leben. Am 12. Juni 2021 wird Sebastian Vorberg im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung HCP.digital einen Workshop über Datenschutz in der digitalen Medizin halten.

Internetmedizin im Corona-Jahr 

Überrascht hat den Juristen, dass im Corona-Jahr 2020 auf einmal einiges möglich geworden wäre, was vorher noch Zukunftsmusik gewesen sei. So hätten sich viele Ärzte plötzlich mit der Fernbehandlung konfrontiert gesehen und diese auch tatsächlich angewendet. Und auch die digitale Krankschreibung, vor einem Jahr noch kritisch beäugt, sei auf einmal machbar gewesen. Man habe jetzt erkannt, welche Optionen sich durch digitale Alternativen außerhalb der Praxis und ohne direkten Kontakt böten, die tatsächlich auch funktionierten. Davon verspricht sich Vorberg einen Lerneffekt für die Zukunft.

Aufklären und Ängste abbauen

Mit Blick auf die zu erwartenden Neuerungen wie Fernbehandlung, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und elektronische Patientenakte (ePa) sei das Wichtigste eine umfassende Aufklärung und der Abbau von Ängsten. Diese Innovationen würden nicht erst in ferner Zukunft kommen, sondern jetzt. Damit sei die Herausforderung für die Anwender, sich der Digitalisierung hier und heute ohne Angst zu öffnen. Seinen Beitrag zur Aufklärung wolle der Datenschutz-Experte mit seinem Workshop auf der HCP.digital leisten und so Mediziner unterstützen, ein Selbstbewusstsein für diese neuen Methoden zu entwickeln. Und dabei vielleicht sogar ein bisschen Faszination für das Thema wecken.

Wird der Arzt zum Programmierer?

Wirklich gut vorbereitet auf die dramatischen Änderungen, die die Digitalisierung der Medizin mit sich bringt, sei die Ärzteschaft nicht. Hier gäbe es großen Nachholbedarf. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dessen Initiative „Health Innovation Hub“ würden umfangreiche Informationsangebote bereitstellen, die so schnell wie möglich genutzt werden sollten. „Die Welt verändert sich – ich muss mich auch verändern.“, rät Vorberg den Medizinern. Das hieße aber nicht, dass der Arzt auf einmal zum Programmierer werden müsse. Vielmehr käme es darauf an, dass er die Applikation, ihre Einsatzmöglichkeiten und die medizinische Tragweite verstünde. Am Beispiel der aufgrund der Haftungsfrage oft verteufelten Fernbehandlung macht der Fachanwalt für Medizinrecht deutlich: „Wir haften für digitale Medizin wie für Röntgenaufnahmen und für andere Themen auch!“

Mehr Mut zu Fehlern

Datenschutzrechtlich seien wir in Deutschland komplett gerüstet – im digitalen Bereich sogar noch besser als im analogen. Der Vorstandssprecher des Bundesverbands Internetmedizin kritisiert aber die irrationalen Datenschutzbedenken, die sich in vielen Köpfen abspielten. Er wundert sich über die allgemeine Bereitschaft zur Einschränkung aller Grundrechte angesichts der Pandemie – nicht aber zur Einschränkung des Datenschutzes. Und dass, obwohl Menschen sterben und die Ökonomie drastische Einbußen hinnehmen müssten. Nach Auffassung des Rechtsanwalts bestünde das Problem aber nicht in den Regeln, sondern in den Leuten, die sie anwendeten. „Wir versuchen immer, ein Schiff im Trockenen zu bauen, bis es unsinkbar ist und setzen es nicht ins Wasser.“ Vorberg ermutigt dazu, auch im Datenschutz Fehler zu erlauben, um aus diesen zu lernen und es hinterher besser machen zu können. 

Irrationale Datenschutzbedenken

Vorberg ist überzeugt, dass das Thema Datenschutzrisiken nicht nur emotional aufgeladen sei, sondern regelrecht verirrt. Er moniert die Angst davor, dass sensible Gesundheitsdaten in falsche Hände geraten könnten – sei es in die des Nachbarn, des Arbeitgebers oder des „Hackers in Russland“. Doch dies seien Worst-Case-Szenarien, die das Schlimmste skizzieren, was uns drohen könne. Die weit verbreitete Ansicht, dass Gesundheitsdaten so sensibel seien und sämtliche Betroffenen stigmatisieren oder outen würden, hält Vorberg schlichtweg für realitätsfern. Das schüre nur „ganz große Ängste, eben nicht nur bei Ärzten, sondern – viel schlimmer – beim Patienten“. Es mangele leider oft an der Bereitschaft, seine persönlichen Daten einer digitalen Anwendung anzuvertrauen – und sei sie noch so sicher wie die Corona-App. Der Anwalt für Medizinrecht appelliert, an diesem Vorurteil zu arbeiten, denn: „Daten retten Leben“.

Braucht jeder Arzt einen Datenschutzbeauftragten?

Sicher ist sich der Anwalt für Medizinrecht, dass Arztpraxen auch in Zukunft keinen individuellen Datenschutzbeauftragten einstellen müssten. Vielmehr ginge es darum, für das Thema zu sensibilisieren, eine gewisse Verantwortung zu übernehmen und sich abzusichern. Die Einhaltung der Datenschutzstandards in der Praxis sei zu überwachen, zum Beispiel durch externe Unterstützung oder inhouse durch einen designierten Mitarbeiter oder entsprechende Kontrollsysteme.

Weitere Informationen 

Autorin: Dr. med. Susan Saber-Hamischagi

Datum: Dezember 2020

Quellen: Interview mit Sebastian Vorberg, Dezember 2020