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Chancen und Herausforderungen von medizinischen Apps

Chancen und Herausforderungen von medizinischen Apps

Welche digitalen Herausforderungen kommen in nächster Zeit auf Ärztinnen und Ärzte zu? Was für Auswirkungen haben medizinische Apps auf das Arzt-Patienten-Verhältnis? Und wie sollen sich Mediziner im Dschungel digitaler Anwendungen zurechtfinden? Ingo Horak, Chief Commercial Officer bei der Vilua Healthcare GmbH, wird auf der Fortbildung HCP.digital am 12. Juni 2021 Fragen zum Umgang mit medizinischen Apps beantworten. 

Die Digitalisierung im Healthcare-Bereich hat 2020 durch die COVID-19-Pandemie zu einer rasanten Entwicklung geführt. Für Ingo Horak, der bereits seit 15 Jahren beruflich auf dem Gebiet „Digitale Gesundheit“ unterwegs ist, war das ein interessanter Aspekt der Pandemie. Darin zeigte sich seiner Ansicht nach, dass die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland eigentlich nichts gegen Digitalisierung und neue Technologien einzuwenden haben, sondern lediglich einen triftigen Grund dafür brauchten. 

Laut Horak stieg die Zahl der Mediziner, die einen Antrag auf Genehmigung von Videosprechstunden bei der Kassenärztlichen Vereinigung stellten, von knapp über 1.000 vor der Corona-Krise innerhalb von wenigen Wochen auf weit über 100.000. „Für mich war es sehr erstaunlich, an den steigenden Zahlen der Videosprechstunden zu sehen, dass wir über digitale Methoden und Tools auch solche Krisen besser bewältigen können“, meint Horak. 

Herausforderungen für niedergelassene Praktiker in 2021

Auch im kommenden Jahr werden Praxen mit großen Herausforderungen zu tun haben, denn es sollen endlich einige lang geplante, digitale Projekte umgesetzt werden. Bereits ab Januar startet die Testphase für die elektronische Patientenakte (ePA), die von Krankenkassen als kostenlose App bereitgestellt wird. Mitte 2021 soll dann das digitale E-Rezept eingeführt werden, das schon Anfang 2022 verpflichtend vorgesehen ist. 

Horak hat die Erfahrung gemacht, dass sich viele Mediziner mit den Änderungen in der Medizin allein gelassen fühlen. Da sie die entsprechenden Themen und Fragestellungen nicht in der Ausbildung lernen, sind die meisten von ihnen nicht ausreichend darauf vorbereitet. 

Um jedoch mit neuen Methoden und Instrumenten wie medizinischen Apps souverän umgehen zu können, ist eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten nötig, sagt Horak: „Ich sehe vor allem die Fachgesellschaften und die entsprechenden Berufsverbände, Körperschaften, das Bundesgesundheitsministerium, aber auch natürlich die Herstellerverbände und Hersteller in der Pflicht, für entsprechende Aufklärung zu sorgen.“ 

Medizinische Apps und deren Auswirkungen

Technologische Systeme haben auch Auswirkungen auf viele andere Bereiche und erfahrungsgemäß verändern neue Technologien überdies das Verhältnis der Beteiligten zueinander. So geht Horak davon aus, dass sich durch die Digitalisierung das Arzt-Patienten-Verhältnis über die Jahre massiv wandeln und insgesamt verbessern werden wird. Es werde eine Vielzahl von aufgeklärteren Patienten geben, die ihre Gesundheit „in die eigene Hand nehmen“, quasi wortwörtlich über das Smartphone. Weil Patienten heute mehr Zugang zu professionellen Informationen haben, würde sich das Verhältnis mehr auf Augenhöhe entwickeln und Ärztinnen und Ärzte mehr in den Austausch mit ihren Patienten kommen. Die Patienten würden außerdem ein immer besseres Verständnis dafür bilden, was Gesundheit bedeutet und wie Therapien funktionieren.

Diese Entwicklung wird nicht nur die junge „Digital Natives“-Generation betreffen. Ergebnisse aus verschiedenen Projekten zeigen, dass Apps bis hin zu 70-Jährigen über alle Altersgruppen hinweg genutzt werden. Allerdings gibt es im Gesundheitssystem grundsätzlich zwei gegenläufige Entwicklungen, wie Horak erklärt: „Menschen, die digital affiner sind, sind jung und damit weniger krank. Menschen, die ‚Digital Immigrants‘ sind, also ältere Zielgruppen, sind entsprechend eher mit Krankheiten behaftet.“ Der Hintergrund für die Nutzung medizinischer Apps ist bei den Altersgruppen also unterschiedlich. 

Im DiGA-Dschungel 

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) eröffnen vielfältige Möglichkeiten einerseits Krankheiten zu erkennen und zu behandeln und andererseits eine selbstbestimmte, gesundheitsförderliche Lebensführung zu unterstützen, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schreibt. 

Doch wie können Mediziner nun sinnvolle von nicht sinnvollen Apps unterscheiden? Im DiGA-Verzeichnis (Verzeichnis über die zugelassenen, digitalen Gesundheitsanwendungen) des BfArM sind lediglich die Apps enthalten, die bisher als Medizinprodukt zur Verordnung zugelassen wurden. „Das ist allerdings nur ein Bruchteil dessen, was am Markt verfügbar ist und eventuell zur Therapieunterstützung sinnvoll sein könnte“, erklärt Horak. 

Als weitere, mögliche Informationsquellen nennt Horak die Bertelsmann-Stiftung, die in diesem Bereich sehr viel tut, aber auch verschiedene Content-Portale. Gleichzeitig fordert er noch viel mehr Aufklärung und Information von Seiten der medizinischen Fachverbände, aber auch von den Herstellen selbst. Die Hersteller müssten besser erläutern, wie ihre App genau funktioniert, was der Mehrwert ist und wie sich die Anwendung in die Therapie integrieren lässt.

Zukünftige Entwicklung der medizinischen Apps 

Da die Zulassungshürden und regulatorischen Anforderungen für medizinische Apps sehr hoch sind, glaubt Horak nicht, dass es auf diesem Gebiet zu einer exponentiellen Entwicklung kommen wird, auch wenn es eine Vielzahl weiterer Anwendungen geben wird. Eine bemerkenswert positive Entwicklung sieht er jedoch in letzter Zeit darin, dass Mediziner verstärkt nach Unterstützung bei der Unternehmensgründung für medizinische Apps suchen. Was bedeutet, dass immer mehr medizinische Expertise von Ärzten aus Kliniken und Niedergelassenen hinzukommt, die medizinisch sinnvolle Anwendungen entwickeln möchten.

Horaks persönliche Vision für 2021 ist: „Ich wünsche mir eine App, die mir signalisiert, dass das Umfeld, in dem ich mich bewege, frei von Corona und sicher ist.“ In seinem Workshop „Medizinische Apps und ihre Chancen und Herausforderungen“ auf der HCP.digital wird Horak spannende Insights zu aktuellen Anwendungen präsentieren und es wird außerdem Gelegenheit geben, zu diskutieren und Fragen zu stellen. 

Weitere Informationen 

Autorin: Johanna Schmidbauer

Datum: Dezember 2020

Quellen: Interview mit Ingo Horak, 30.11.2020

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/DVG/_node.html (Abruf: Dezember 2020)

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): DiGA-Verzeichnis. https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis (Abruf: Dezember 2020)

gematik GmbH: E-Patientenakte, E-Rezept. https://www.gematik.de/anwendungen/ (Abruf: Dezember 2020)